Ursprung der Sprache

Ursprung menschlicher Kommunikation: Kooperation

Ein spannendes Forschungsfeld ist die Frage nach den Ursprüngen der menschlichen Kommunikation und damit der Entwicklung unserer Sprache. Der amerikanische Anthropologe und Verhaltensforscher Michael Tomasello (geb. 1950) hat einen originären Ansatz zu den Ursprüngen der menschlichen Kommunikation entwickelt (vgl. Tomasello 2009: 26). Er geht von der grundlegenden psychologischen Perspektive aus, dass es der beste Weg sei, „die evolutionären Wurzeln menschlicher kooperativer Kommunikation freizulegen, ..“  Vor dem Beginn unserer Fähigkeit, sprachliche Laute zu äußern, liegen die gestischen Signale, um Intentionen (Absichten) und Aufmerksamkeit gegenüber anderen Menschen zu erreichen. Nach Tomasello (2009: 99) gibt es drei allgemeine Typen von Kommunikationsmotiven in der Gestik des Zeigens und der Gebärdenspiels:

Auffordern: Ich will, daß Sie etwas tun, um mir zu helfen (um Hilfe oder Information bitten);

Informieren: Ich will, daß Sie von etwas Kenntnis nehmen, weil ich glaube, dass es Ihnen helfen oder Sie interessieren wird (Hilfe anbieten, einschließlich Information);

Teilen: Ich will, daß Sie etwas Bestimmtes fühlen, damit wir Einstellungen/Gefühle miteinander teilen können (Teilen von Emotionen oder Einstellungen).“

Als implizite Voraussetzung für dieses menschliche Verhalten nimmt er ein Kooperationsmodell an:

„Die finale Erklärung dafür, was Menschen dazu befähigt, miteinander auf so komplexe Weisen durch so einfache Gesten zu kommunizieren, lautet, daß sie miteinander auf einzigartige Weise sozial interagieren. Etwas konkreter: Menschen kooperieren ,miteinander auf eine Weise, die wir von keiner anderen Spezies kennen, wobei diese Kooperation Prozesse geteilter Intentionalität beinhaltet.“ (Tomasello 2009: 83)

Ähnlich argumentiert der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann (geb. 1946), wenn er Ursprung und Entstehung der Sprache(n) eng mit der kulturellen Entwicklung des Menschen verbindet. Er fragt,

„was motivierte den Menschen, seine sprachliche Kommunikation zu verfeinern und komplex auszubauen? Warum hat die Evolution nicht nur einen einzigen Bauplan für Sprache produziert, sondern eine Vielzahl von Konstruktionsmustern?“ (Haarmann 2010: 31)

Seine Antwort sucht er in der Identitätsforschung, denn diese Identität sieht er als mentale Kraftquelle, als Motor für sein Handeln, als Triebkraft, sich in Gruppen zu organisieren, sozial zu handeln und sich Kultur zu schaffen, d.h. sie dient primär als Überlebensstrategie. Für die Kooperation braucht man die Sprache. Fazit: Gestik und Sprachentwicklung beruhen auf der Kooperation des homo socialis.

Auszug aus: Nowak, Jürgen 2011: Homo socialis. Politische Theorie Sozialer Arbeit. Lage. S. 47-48

Quellen:

Haarmann, Harald 2010: Weltgeschichte der Sprachen. Von der Frühzeit des Menschen bis zur Gegenwart. 2., durchgesehene Auflage. München

Tomasello, Michael 2009: Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Aus dem Amerikanischen 2008. Frankfurt am Main