Wortkrimi 11 – Kurzschluss
Europäischer Wort-Krimi Nr. 11
In der Konklave im geschlossenen Kloster wurde in einer Klausur mit dem Klavier ein Prozess der Inklusion statt der Exklusion eingeleitet
Dieser zunächst inhaltlich merkwürdige erscheinende Satz beinhaltet Wörter, deren Verwandtschaft man nicht so ohne weiteres vermuten würde. Ausgangspunkt sind zwei im Lateinischen etymologisch miteinander verwandte Wörter. Diese sprachlichen Wurzeln für viele Wörter im heutigen Wortschatz lösen unseren Krimi: claudere (clausi, clausum) ’schließen’ und clavis’ Schlüssel, Riegel’, ursprünglich ’Nagel, Pflock’, „indem das Verpflöcken die älteste Art des Verschlusses war“ (Walde und Hofmann 1982: 229).
Von claudere gibt es mehrere Ableitungen (bei diesem morphologischen Prozess ist aus ’au’ ein ’u’ geworden): excludere (exclusi, exclusum) ’ausschließen, aussperren’, includere (inclusi, inclusum) ’einschließen, einsperren’ bzw. Inclusio’ Einschließung’ und concludere (conclusi, conclusum) ’einschließen, zusammenfassen, zu Ende führen’ bzw. conclusio ’feindliche Einschließung, Blockade, Abschluss, (Schluss-)Folgerung’.
Aus den beiden lateinischen Wurzel haben die romanischen Sprachen folgende Wörter übernommen.
Reihe claudere ’schließen’ bzw. concludere
Italienisch chiudere, Rätoromanisch clauder und Rumänisch a inchide bzw. Portugiesisch concluir und in anderer Bedeutung, nämlich einen Vertrag schließen: Katalanisch concloure, Rätoromanisch concluderund Spanisch concluir.
Reihe clavis ‘Schlüssel’:
Der lateinische Schlüssel clavis hat sich in allen romanischen Sprachen erhalten (vgl. Meyer-Lübke 1935: 187): Friaulisch klaf, Französisch le clé, Italienisch il chiave, Katalanisch und Okzitanisch la clau, Ladinisch la cle, Portugiesisch a chave, Rätoromanisch la clav, Rumänisch cheie und Spanisch la llave.
Im deutschen Wortschatz existieren zahlreiche Lehn- bzw. Fremdwörter als Ableitungen aus dem Lateinischen weiter:
Klausur
Klausur bedeutete zunächst „Abgeschlossenheit, Einsamkeit, für Außenstehende gesperrter Gebäudeteil eines Klosters“ (Pfeifer 1993: 664). Die in einem verschlossenen Raum bzw. unter Aufsicht zu leistende Prüfungsarbeit heißt Klausurarbeit oder kurz Klausur. Ausgangspunkt ist Spätlateinisch clausura ‘Verschluss, Kastell’ von der Wurzel claudere.
Kloster
Das Kloster ist eine „von der Außenwelt abgeschlossene Wohnstätte für Mönche oder Nonnen“ (Pfeifer 1993: 673). Mit der Einführung des römischen Christentums am Mittelrhein entwickelt sich aus vulgärlateinisch clostrum mittelhochdeutsch kloster. Kirchenlateinisch claustrum war ein „abgetrennter, dem Laien unzugänglicher Bereich eines Mönchskonvents“ (Pfeifer 1993: 673).
Inklusion und Exklusion
Inklusion ist heute zum Zauberwort in der Europäischen Union sowie der Pädagogik und Bildungspolitik geworden. Inklusionstheorien stellen demnach Überlegungen über den Nutzen, die Chancen und die Möglichkeiten alle Menschen im alltäglichen Leben einzuschließen an; bspw. Behinderte in Schulen. Das Gegenteil von Inklusion stellt die Exklusion als Form der Ausschließung dar.
Klavier
Das Wort Klavier kommt Anfang des 16. Jahrhunderts aus dem Französischen clavier ‘Tastenreihe, Tastenbrett’ (zunächst für die Orgel), um es dann – über das Wort Klaviatur in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts – als Klavier auf das ganze Instrument zu übertragen (vgl. Pfeifer 1993: 664).
Ein anderes Wort für Klavier ist noch das Piano von Italienisch piano ‘leise’, das auf Lateinisch planus ‘eben, flach, platt“ zurückgeht. Im Deutschen haben wir noch das Wort planieren ‘(ein)ebnen, glätten’, das auf Spätlateinisch planare ‘einebnen, glattmachen’ zurückgeht.
Konklave
Wenn in der katholischen Kirche ein neuer Papst im Vatikan gewählt wird, dann sind die Kardinäle „mit dem Schlüssel abgeschlossen“, d.h. aus dieser Kardinalsversammlung zur Papstwahl darf vorher nichts nach draußen dringen, bis eine Mehrheit gewählt hat. Dann wird öffentlich papam habemus ausgerufen, und weißer Rauch steigt aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom auf.
Indoeuropäische Zusammenhänge
Lateinisch claudere beruht auf der indoeuropäischen Wurzel *skleud– bzw. *kleu-, *klau– ‘Haken, krummes Holz, Astgabel’. Daraus haben sich u.a. die deutschen Wörter schließen und Schlüssel entwickelt.
Lateinisch clavis beruht ebenfalls auf der indoeuropäischen Wurzel *kleu und findet sich abgewandelt auch in anderen europäischen Sprachen wider:
Schlüssel
Bulgarisch, Mazedonisch, Russisch und Ukrainisch ключ, Griechisch κλεισ (Genetiv κλειδος) bzw. Neugriechisch κλειδι, Polnisch klucz‚ Serbokroatisch und Slowakisch ključ und Tschechisch kljič.
Quellen:
Meyer-Lübke, W. 1935: Romanisches etymologisches Wörterbuch. 3. vollständig neubearbeitete Auflage. Heidelberg
Pfeifer, Wolfgang 1993: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Auflage. Berlin
Walde, A. und Hofmann, J.B. 1982: Lateinisches Etymologisches Wörterbuch. Fünfte, unveränderte Auflage, Erster Band A-L. Heidelberg